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Unglaub(lich) im Ural!

Von Frank und Anett Unglaub

Frank (53) und Anett (50) aus Thüringen sind in den letzten Jahrzehnten mit vielen Outdoorwassern gewaschen, u.a. in Rumänien, Schweden, Kamtschatka und der Mongolei zu Fuß, mit Klettergurt, im Kajak, auf dem Motorrad, mit Zelt, aber ohne Kocher. Jetzt haben haben sie Packrafting für sich entdeckt, um leichter, flexibler und weiter als früher auf Tour zu gehen. Wir sind gespannt, was die Zukunft bringt! 

Sie berichten hier über eine 4-wöchige Tour (12.08. - 08.09.2016 inklusive Anreise) im subpolarem Ural (Russland) von der Basis Schelanaja per Fuß über den Berg Manaraga (70km) zum Fluss Koschju (120km).

Die Strecke im Detail.





Interessant ist nicht nur ihre ungewöhnliche, um nicht zu sagen eigenwillige (nennen wir es Unglaub’sche ;) Art des  Gepäcktransportes am Boot (rechts), sondern auch die Ernährung aus der Natur! Mehr dazu im Bericht.

Russland!

Russland ist riesig. Man kann Gebiete finden, bei denen der mitteleuropäische „Outdoorbegriff“ so nicht anwendbar ist. Das macht sich auch bei der Anreise bemerkbar.

Auf nach Berlin. Flug nach Moskau. Hier versorgen mit Lebensmitteln für 36 Stunden Zugfahrt nach Inta. Dort soll am Bahnhof ein LKW „Ural“ der Naturschutzbehörde stehen, mit Kofferaufbau für Passagiertransport. 

Im LKW sind wir zehn Leute. Drei „Junge Wilde“, welche ebenfalls zum Koshyu wollen und für die Tour nur acht Tage Zeit haben, zwei kurz vor unserem Alter (Juri und Michail) welche einen südlicheren Fluss (Bangier) erreichen wollen, dort wären die Fische größer. Er zeigt so um mindestens 30 cm, naja vielleicht ja auch Hoffnung oder Angerlatein. Noch zwei Männer mit einem Mädchen (Vater und Onkel) mit dem Wanderziel Berg „Manaraga“. Und natürlich wir plus Fahrer und Beifahrer.

Sechs Stunden auf Piste und durch zwei Flüsse. Noch 4 km weiter, an der „Basa Schelanaja“ vorbei (dort gab es mal Goldabbau) und abgesetzt an einem Fluss mit großem „Slanikufer“ (Slanik = schwer durchdringbares halbhohes Gehölz, welches von Löchern und Gräben durchsetzt ist und den Rucksack permanent festhält).

Wir kommen spät nachmittags an und gehen sofort los. Lassen die „Jungen“ zurück, die während der Fahrt etwas zu viel Alkohol genossen haben und wohl erst am nächsten Tag wieder richtig laufen können. Nur Juri und Michail gehen auch schon los, wir lassen aber auch sie hinter uns, 40 und 45 kg wiegen ihre Rucksäcke. Sie schlagen ihr Lager später in unserer Sichtweite auf. Wir erreichen noch einen kleinen See und können den Reisestaub abwaschen. Ein paar Holzreste von alten Lagerfeuern sind zu finden, die heben wir für den Morgenkaffee auf.

Die Tour kann beginnen!



Der erste Pass ist steinig, „blockig“ nenne ich das, die Steine sind also groß. Den Weg müssen wir selbst finden. Runter ist wie immer schwieriger als rauf. Gott sei Dank hält das Wetter. Bei Nässe werden die Flechten auf den Steinen zu Schmierseife, bei Trockenheit ist das eher wie Sandpapier. Wir kommen zur Quelle des Manaraga, der später in den Koshyu fließt. Dem müssen wir nur noch folgen. 

Wir treffen eine Gruppe junger Russen mit einem Führer der Parkverwaltung, welche den Manaraga besteigen wollen (Basa Schelanaja – Manaraga und zurück). Musik am Lagerfeuer und Unmengen an Essen und Ausrüstung. 

Der Führer ist an unserem Ansinnen interessiert, nur zu zweit, davon eine Frau, das machen die Russen nicht. Von Packrafting hat er schon gehört (!). Er lässt sich das Boot zeigen und wiegt zweifelnd seinen Kopf. Die Russen fahren mit Katamaranen die Stromschnellen runter, unser kleines Boot weckt wohl seine Zweifel. 

Wir haben sowieso vor, den ursprünglichen Plan zu ändern und über den Pass des Manaraga zu gehen, um erst später in den Koshyu einzusetzen, dann sollte der Wasserstand etwas höher sein.

Wir haben das Seitental passiert. Haben uns drei Ãœbernachtungen gegönnt. Die letzten 800 m Luftlinie zum Zusammenfluss des Koshyu mit dem kleinen Seitenfluss Kapkan-Wosch hatten es in sich. Slanik und Sumpf schlimmerer Sorte. Naja vorbei, jetzt wird das Adventure X2 fertiggemacht. Wir wissen, wir haben nur 5 km Flussgewöhnung, dann beginnen die großen Stromschnellen des Koshyu. 

Der Fluss Koshyu im nördlichen Ural


Wir bleiben drei Tage am ruhigen und tiefen Flussbecken unmittelbar nach den Stromschnellen. Fische gibt es hier genug und Pilze auch.

Das Barometer ist stetig gefallen. Das Wetter wird nicht schön bleiben. Zwei volle Tage Ruhe, Pilze und Fische, dann fahren wir bei Regen los. Acht Grad zeigt das Thermometer meiner Armbanduhr, welche dann immer am Rettungssack hängt. Das Barometer ist immer noch fallend. Unterwegs legen wir an einem tieferen Flussabschnitt an, um das Abendessen zu fangen. Nicht immer ist die günstige Schlafstelle auch eine gute Angelstelle. Ein ausreichend großer Fisch ist der Lohn.

Irgendwann zeigt das Thermometer früh nur noch drei Grad. Der Tag bringt es dann bis auf sechs. Das Tarp ist nass, doch das Zelt haben wir trocken halten können. Auch die Daunensäcke sind nur gering feuchter geworden. Drei nasse Tage, dann hat der steigende Luftdruck auch das Wetter verbessert. Ab und zu kämpft sich schon die Sonne durch. 

Wir finden die alte Hütte der Nationalparkverwaltung. Nach reichlichem Holzhacken heize ich die nebenan stehende „Banja“ an. Das Ergebnis ist dann später „porentief rein“. 

Trocken brechen wir zu den letzten 80 km auf. Am Zusammenfluss des Koshyu mit dem Bangier hat die Nationalparkverwaltung eine neue Hütte errichtet. 45 km vor dem Ziel machen wir hier noch einmal Rast. Ab und zu kommt hier ein motorisiertes Holzboot mit Fischern den Fluss hochgefahren, um mittels Schleppleine zu angeln. Die Einsamkeit ist zu Ende. 

Ein 70jähriger Fischer hält abends an und erzählt von seinen Besuchen in den früheren Ostblockstaaten. Am nächsten Morgen früh um sechs, da muss er vom Zielort Koshyu schon zwei Stunden gefahren sein, ist er wieder da und bringt Lebensmittel (Kartoffeln, Tomaten, Speck, zwei Büchsen Pastete und andere Sachen). Er hat bestimmt seiner Frau von den „Nemez“ (Deutschen) erzählt. Es war mit Sicherheit sie, die das Stück Seife für Anett mitgegeben hat …

Für die letzten 45 km nehmen wir uns Zeit. Wir fahren weg von der Hauptflusslinie in das sich bildende Delta. Häufig wird es sehr flach, sodass wir Grundberührung nicht vermeiden können. Eins, Zwei, Drei – gemeinsames Ruckeln hilft bei größeren Steinen, die Paddel beim Schürfen über den Kies. Ein paar Kratzer am Blatt, mehr ist nicht passiert. 

Der Rest ist schnell erzählt. Anlanden in Koshyu. Einpacken und 2 km Weg bis zum Bahnhof. Ein Anwohner lädt unsere Sachen in seine Uralt-Niva und fährt uns 6 km „außen rum“ zum Bahnhof. Am Bahnhof treffen wir den alten Fischer wieder. Ich schenke ihm die Paracordseile und unsere Säge. Seine Freude ist unser Dank für seine Gastfreundschaft.

Eleonora von der Nationalparkverwaltung steht nach vier Stunden Fahrt mit einem Schild mit unseren Namen am Bahnhof in Petschora. Sie und ihr Mann fahren uns zu einer Wohnung mit Waschmaschine …

Noch 33 Stunden Zugfahrt nach Moskau. Dann der Flug nach Berlin und der Zug nach Hause. Die letzten 3 km nochmal zu Fuß mit den Säcken auf dem Rücken. Wir sind schweigsam und traurig, doch zugleich auch froh. Jeder der so eine Reise gemacht hat, wird dieses Gefühl kennen.

Ausrüstung, Erfahrung und Modifikationen

Alleine der Flug mit Aeroflot gibt die maximale Ausrüstungsmenge vor. Für jeden nur 22 kg!

Ein Test des „Adventure X2“ bestätigt, dass es eng wird auf dem Fluss. Anett (166cm, 70kg) sitzt auf dem vorderen Platz, ihr fehlt jedoch ein Rückenpolster (Lösung siehe unten).  Meine Füße (192! cm, 100! kg) schiebe ich unter ihren Sitz, trotzdem sind sie arg gebeugt. 

Das Gepäck kommt daher ausserhalb mit! 

Wir haben die zwei Rucksäcke "linksrum" um die Multibags geschnürt und mit der Platte nach unten am Boot befestigt. Zusätzlich sind beide Säcke hinter dem Boot mit einer Schleife vorhandener Bänder verbunden, um ein Ãœberholen der Säcke zu verhindern. Die Rückenplatte des Paragon soll den Multibag sicher vor schrammender Grundberührung schützen. Auf dem Fluss hatten wir mit dem Vorwärtskommen keine Sorgen. Der Tiefgang war sogar äußerst gering (da das Gepäck ja selbst schwimmt!) Natürlich wird die Begurtung der Paragon nass. Muss man gleich zu Fuß los, soll das eben der Regenschutz abhalten.

Und der vordere Sitz bekommt eine Lehne!

Also wurde eine Sitzlehne nachgeordert, mit den Klebepads. In der Garage werden die Klebepositionen ermittelt, so dass die Lehne noch mindestens zu 50 % am vorderen Sitzende aufliegt. Wir wollten nur eine kleine Unterstützung des unteren Rückens aber gleichzeitig einen massiven Zug auf die Bootsseiten verhindern. Die Beschreibung „Tiedowns richtig kleben“ und das gelieferte Material sind super. Die Pads sind dran, als hätten wir es so gekauft. Ringsherum werden nun 4 mm Schnüre aus Paracord angebracht.


Das Boot selbst hatte am Reiseende nur wenige Gebrauchsspuren am Boden, obwohl wir in seichten Stellen häufig über den Grund geschrammt sind und trotz der Produktwarnung der Carbon-Paddel uns auch massiv am Grund abgestoßen haben. Wir sind an flachen Stellen mit nur 10 cm Wassertiefe drüber und mussten nicht aussteigen! 

Von der sonstigen Ausrüstung verdient unser „Notsack“ eine Erwähnung. Dieser enthält Topf, Tasse, Thermoskanne, Angel, drei Carbonpfeile, Axt, Säge, Erste-Hilfe-Set, Tarp, 20 m Schnur, Feuerstahl, Foliesack mit trockenen Flechten und Birkenrinde, Kaffeesticks, Teebeutel, zwei Schokoriegel und etwas Zucker um eine evtl. Notsituation abzugedecken.