Robert Neu mag wie viele das Reisen. Doch die Art wie er reist
und wo er reist unterscheidet ihn deutlich zu den wohl
allermeisten.
Er lebt nicht nur dafür und damit sondern auch davon, zumindest dem was
andere Leute davon berichtenswert halten. Robert ist ein sympathischer
Vortrags-Profi und routinierter Referent, der „nebenbei“ die Donau
komplett und den Yukon über 3000km im "Schlauchboot" (Packraft) befahren
hat.
Wir kennen Robert seit 2015 und sind seitdem als Partner in regelmäßigem
Kontakt, gern mit einem Problem direkt von unterwegs :) Mehr zu der einen
oder andere Panne im nachfolgenden Beitrag.
Ein Gespräch über seine Reisen war am 12.04.2019 im MDR Fernsehn in der
Sendung „RIVERBOAT“ mit Jörg Kachelmann zu sehen. Dort ging es u.a. auch um sein
persönliches „Riverboat“ (Packraft).
Im folgenden schildert uns Robert seine Packrafting Reise durch Alaska
auf dem Yukon mit seinem "SCHLAUCHBOOT" (MRS Adventure X2).
von Robert Neu
Den Alltag in Deutschland gegen Freiheit eintauschen
Jetzt stehe ich hier, am Bennett Lake, der Quelle des Yukon und schaue in
die Leere. Die Stille schreit mir ins Ohr. Ich habe das hektische
Deutschland verlassen und den absoluten Kontrastpunkt gefunden. Die
Wildnis Kanadas.
Den getakteten Alltag der Großstadt einzutauschen gegen Wildnis und
Freiheit bedeutet gut planen zu müssen. Lebensmittel für Wochen müssen
geruchsdicht verpackt werden. Ich bin in Bear-Country, bin dort zu Gast,
wo Schwarzbär und Grizzly zuhause sind. Unbewaffnet, ganz alleine da
draußen, wo keiner helfen kann. Ich will vorsichtig sein. Campingequipment
und zwanzig Kilo Fotoausrüstung inklusive Drohne packe ich. Puste mein
Boot auf. Aufpusten? Jawohl, ein Packraft soll mich bis zum Meer
tragen, ein ultraleichtes Expeditionsschlauchboot. Ich zurre alles fest,
verzweifele trotz absoluter Sparsamkeit an der Masse der Ausrüstung und an
meinen langen Beinen, die kaum mehr ins Boot passen. Ich baue mein Stativ
auf für ein Foto, dann kann es losgehen.
Das Boot bepackt mit gesamter Expeditionsausrüstung |
Seit wenigen Tagen sind die Quellseen eisfrei. 150km muss ich ohne
Strömung kämpfen. Beim Wetter scheinen die Medikamente schlecht
eingestellt zu sein: Regen, Hagel, Sturm und Wellenschlag wechseln sich
mit kristallklarem, zutiefst blauem Himmel und Götterruhe ab. Ich nutze
das Zwiebelprinzip, wechsele stündlich die Kleidung, friere, zittere,
bibbere. Danach bejubele ich die Momente, in denen die Sonne mich küsst.
Unwirtliche Wetterbedingungen im Wechsel mit sonnigen Abschnitten |
Es wird eine lange Reise, viele einsame Stunden, knapp vier Monate werde
ich benötigen. Habe ich mich um mein Überleben in Form von Camp aufbauen,
Feuer machen, Essen kochen, nicht ertrinken und mein Boot nicht zerstechen
gekümmert, sind immer noch die Tiere da: Vorsicht, keine
Lebensmittel rumliegen lassen, keine Gerüche, die Hände nicht an der Hose
abwischen. Penibel sein. Umsichtig sein. Lärm machen. Gleichzeitig will
ich mich ruhig verhalten, will behutsamer Gast auf ihrer Spielwiese sein,
will sie sehen und fotografieren. Es ist eine Gratwanderung. Ich sitze vor
dem Zelt am Feuer und koche Frühstück, als hinter mir eine gewaltige
Elchkuh mit ihrem Zögling ins Wasser steigt. Der Wind steht günstig, sie
nehmen mich kaum wahr. Keine 30 Meter trennen uns. Nach dem ersten Schock
greife ich zur Kamera und mache Bilder. Es ist aufregend. Ich frage mich,
wie es wird, wenn mir der erste Bär durch den Vorgarten rennt?
Seit Wochen lebe ich in der freien, wilden, ungebändigten Natur.
Paddele, koche auf offenem Feuer, zelte auf Sandbänken und wasche mich
in eiskaltem Wasser und muss dabei vor Schmerz schreien. Ein ausgiebiges
Bad im Yukon dauert zehn Sekunden, keine einzige mehr. Der arktischen
Sommer spendet mir dabei ausgiebig Licht: Er ist eine ununterbrochene
Folge von Vor- und Nachmittagen. Die Einsamkeit, dem Wetter Tag und
Nacht ausgesetzt, die Anstrengung: der Körper zahlt dafür. Der Geist
streicht die Gewinne ein.
Auf einer Insel schlage ich mein Lager auf. Ich lasse meine Drohne
steigen und bewundere die Perspektive: Wald bis zum Horizont.
Zivilisation? Fehlanzeige. Nur ich bin zu erkennen. Auf der Insel
stehend, ein kleiner, verwundbarer Punkt.
Das Lager auf einer Sandbank des Yukon aufgeschlagen |
Hier gibt es dann die schon lang erwartete Begegnung mit einem Bären. Aber
durch Abschreckung mittels Lauten und Körperbewegungen bleibt es bei einer
Begegnung mit ausreichend Distanz zwischen mir und dem schwarzen pelzigen
Fremden. Trotzdem wird die Begegnung mit einem Bären mir in bleibender
Erinnerung bleiben.
In Gedanken schon in den menschenleeren Weiten des Yukon |
Ich habe Kanada verlassen und bin in Alaska. Noch warten 2000 Kilometer
auf mich, Monate werden vergehen. Werde ich die Beringsee vor
Winteranbruch erreichen? Noch ist Hochsommer nördlich des Polarkreises.
In der Wildnis von Alaska
Im Land der Yupik-Eskimos. Russian Village heisst die Siedlung und zeugt
von der frühen Landnahme der Russen. Erst 1867 verkauften sie Alaska an
die USA. Für 12 Millionen Dollar. Sie ärgern sich bestimmt bis
heute. Steven, ein stämmiger Vierziger nimmt mich mit auf
Elchsafari. Die Knarre nur als Schutz, die Kamera soll die Waffe sein.
Stundenlang warten wir geduckt auf einer Lichtung im dichten Wald. Schon
bereiten wir uns vor zu gehen, da knackst es im Unterholz und ein stolzer
Elch tritt aus der Deckung. Mitsamt Elchkuh und Kalb posieren Sie im
Wasser.
Das Delta ist umwerfend groß. Und so flach, dass ich den Horizont von
der Wasserlinie kaum unterscheiden kann. Tausend Inseln und Kanäle,
die Orientierung fast unmöglich. Ich halte mich so gut es geht an das
östliche Ufer. Der Herbstwind kommt auf, ich warte tagelang auf
Flaute, dann sind es nur noch 10 Meilen bis zur windgepeitschen
Beringsee. Ein letzter Tag auf einer langen Reise. Wütend braut sich
eine dunkele Wolkenschicht über dem Delta auf. Ich lande auf einer
Insel und blicke aufs Meer. Dahinter Ozean, dann Russland. Ein anderer
Kontinent. Ich recke mein Paddel in die Höhe und bitte um einen
weiteren Traum. Immer einen mehr, als die Realität zerstören
kann.
Noch mehr (bewegte) Bilder der Tour gibt es in der Mediathek des WDR.
Die Vortragtermine sind auf Roberts Homepage zu finden.
Die Ausrüstung zur Reise gibt es im Packrafting Store.