Der Mensch ist nicht für das Wasser gemacht.
In der Packrafting-Community wird viel über Sicherheit geredet, und das aus guten und wichtigen Gründen, meistens jedoch nur im Zusammenhang mit Wildwasser, was verständlich ist.
Aber auch für ruhiges Wasser muss über Sicherheit gesprochen werden, vor allem, wenn man sich in offene Bereiche wagt, also mehr oder weniger weit vom Ufer entfernt.
Die aktuelle Berichterstattung der großen Medien zeigt die Problematik. Allein im Juli 2022 ereigneten sich mindestens vier schockierende Unfälle (mit Kanus und Kajaks), ausschließlich auf großen Seen:
Mit Zahmwasser sind in der Regel ruhig fließende Flüsse, Seen, Buchten und Fjorde, unabhängig von ihrer Größe gemeint.
Loch Sionascaig, Scotland. Foto: Chris Scott |
Sicherheit im Zahmwasser ist aus drei Gründen wichtig:
- Im Vergleich zu Wildwasser ist die Wahrscheinlichkeit eines Unfalls zwar geringer (und daher weniger erwartet), die Folgen können im Ernstfall aber schwerwiegender sein.
- Die Mehrheit der Nutzer ist im Zahmwasser unterwegs. Die reine Anzahl erhöht die tatsächliche Wahrscheinlichkeit und damit allgemeine Relevanz.
- Gerade sehr leichte oder auch verhältnismäßig große Packrafts, neuerdings sogar die Option zum Segeln, laden zu offen Gewässern oder deren Überquerung geradezu ein.
Worum geht es also?
Durch eigenes oder fremdes Verschulden kann es zu einer Kenterung, dem Verlust des Paddels, einem Schaden am Boot oder körperliche und psychische Beeinträchtigung kommen, was die Kontrolle der Situation erheblich einschränkt.
Ob Wetterumschwünge mit Wind, Regen, Kälte und Wellen oder eine ungeschickte Bewegung, unvorhergesehene Strömungen, Beschädigungen durch Messer, Angelhaken, Muscheln, Bojen oder Materialermüdung – viele Szenarien sind als Ursache denkbar.
Unter folgenden Umständen kann das fatal werden:
- geringe Temperatur des Wassers
- lange Zeit (nicht unbedingt Entfernung) zum Ufer
- mangelnde Vorbereitung (geistig und körperlich)
Bei der Einschätzung und dem Verhalten bei sehr kaltem Wasser (um 10° C ohne Kälteschutzkleidung) hat sich die 1-10-1-Regel (Faustformel!) bewährt. Sie besagt, dass man 1 Minute Zeit hat, um die Atmung zu kontrollieren (Kälteschock), weniger als 10 Minuten für die Selbstrettung (Bewegungsfähigkeit) und 1 Stunde, bevor man aufgrund von Unterkühlung bewusstlos wird. Insbesondere die letzte Phase ist auch von Training und körperlicher Konstitution abhängig. Bei höher Wassertemperatur (um 20° C) steigt die Handlungsfähigkeit und Überlebenschance, insb. mit Auftriebshilfe.
Dennoch sollte man sich vor Augen halten und realistisch einzuschätzen, wie weit man in 10 Minuten schwimmen kann. Ein kalter Bergsee, ein frühlingsfrischer Fluss oder eine Meeresbucht können dann anders aussehen.
Lago Constancia, Chile. Foto: Patricio Sanhueza Manríquez |
Die gute Nachricht ist, dass es zu den oben genannten Umständen je drei Kompensationen gibt:
- Wiedereinstieg üben – der schnellste Weg aus dem kalten Wasser ist, wieder ins Boot zu kommen. Hier sind leichte, aufblasbare Boote gegenüber Festrumpfbooten von großem Vorteil.
- Allein fahren vermeiden – ein zweites (oder drittes) Boot ist die beste Absicherung.
- Schwimmweste tragen – zusätzlich einen Trockenanzug erwägen, insb. falls man trotz 2. dennoch alleine unterwegs ist.
- Handy in wasserdichter Hülle am Körper tragen – bzw. ein Satelliten-Kommunikationsgerät für Gebiete ohne Empfang dabei haben.
- Helle, farbige Kleidung, ein wasserdichtes Licht und eine Signalpfeife bei sich tragen.
- Paddelleine mitführen – im Gegensatz zum Wildwasser zählt hier Verbindung.
- Leichtes Wurfseil dabei haben – was nicht nur in der Wildwasserrettung nützlich ist.
- Windvorhersage und Strömungen studieren.
- Notfallmaßnahmen und Signale/Handzeichen lernen und üben.
Die Punkte erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder eine Garantie. Sie sind jedoch einfach zu beherzigen. Unser Ziel ist es, sie in jedes (kalte) Wasser mitzunehmen, für jeden, immer - Gewicht, Kosten, Zeit und Unwissen sind keine Entschuldigung.