„Im letzten Sommer wurde mir mein Packraft Nomad S1 gestohlen.“ – meldet sich Martin bei uns. Er ist entsprechend verärgert, da er mit dem Boot sehr zufrieden war und weitere große Reisen damit geplant hatte, genau wie seine letzte Tour auf der Donau. Wir überlegen wie wir einander helfen können und so kommt u.a. dieser großartige Bericht hier zustande."
von Martin Siostrzonek I siography.com
Die Schemerlbrücke in Wien, an einem Vormittag im Juli 2020. Das Zwei-Mann-Kanu (Grabner Outside) ist bepackt und für die Wasserung bereit. Darauf zwei Fahrräder, ein Fahrrad-Anhänger, ein Zelt, mehrere Packtaschen, ein Reisegriller, eine Tiefkühltasche…und einfach viel mehr Gepäck als notwendig. Nach einigen Diskussionen in den vorangegangenen Wochen habe ich mich von Chris dazu überreden lassen, meine Donaureise nicht in meinem eigenen Packraft (MRS Nomad S1) zu starten. So fährt dieses vorerst als Gepäckstück mit. Als wir das Kanu zu Wasser tragen wollen, schaffen wir es keinen Zentimeter anzuheben.
Nach Stunden des Packens wassern wir den Schlauchkanadier im Donaukanal |
Aller Anfang ist schwer - Kilometer 1.933 – 1.643
Vier Stunden später, nach mühsamem Umschlichten des Gepäcks, starten wir endlich ins Abenteuer Donau. Von meiner Heimatstadt soll es immer den Strom hinab bis ins Donaudelta gehen: 2000 km von Wien zum Schwarzen Meer - mit Paddel und Pedale.
Wir genießen den ersten Sonnenuntergang in den Donauauen |
Chris begleitet mich auf dem ersten Abschnitt bis Budapest. Über den Donaukanal schaffen wir es am ersten Tag nur bis in den Nationalpark Donau-Auen. Viel weiter soll es mit unserem vollbepackten Kanu auch nicht gehen: Kurz vor Bratislava kommen wir zu nah ans Ufer, ein Paddel bricht und macht das Manövrieren unmöglich. Das schwer beladene Boot kippt und wir kentern.
Glück im Unglück: Bei der Kenterung vor Bratislava geht kein Gepäck verloren |
Die Vernunft hat gesiegt und wir beschließen bis in die ungarische Hauptstadt auf unseren Rädern weiterzufahren. Auch hier verzweifeln wir immer wieder beim Beladen der Drahtesel und merken, wie langsam wir vorankommen.
Das Gepäck am Fahrradanhänger muss erst feinjustiert werden |
Erst nach drei weiteren Tagen erreichen wir Budapest. Hier trennen sich unsere Wege. Chris tritt den Heimweg an und ich steige auf mein Packraft um.
Abendliche Ankunft in Budapest und Abschied von Chris |
Serbische Gastfreundschaft in Corona-Zeiten - Kilometer 1.643 – 943
Seit den Morgenstunden paddle ich allein weiter auf meinem Packraft durch den Duna-Drava-Nationalpark. Trotz skeptischer Blicke der Grenzbeamten durfte ich nach Serbien einreisen, dessen Corona-Zahlen gerade einen europaweiten Höchststand erreicht hatten. Die Weiterreise über die verschiedenen Grenzen steht daher immer wieder auf der Kippe.
Packrafting im wunderschönen Duna-Drava-Nationalpark |
Durch den reduzierten Schiffsverkehr werden dafür gerade die Paddeltage zu einem wahrhaften Naturerlebnis. Wunderschöne Auenlandschaft mit Kies- und Sandbänken sowie Graureiher, Biber und Wasserschlangen begleiten mich auf diesem Streckenabschnitt an der serbisch-kroatischen Grenze, der mir als einer der schönsten auf der gesamten Reise in Erinnerung bleiben wird.
Ein Biber begleitet mich einige Meter stromabwärts |
Unvergesslich auch eine Nacht direkt am Donauufer, in der plötzlich einige Wildhunde um mein Zelt schleichen, da sie mein Abendessen gerochen hatten. Der Proviant wird kurzerhand geopfert, um zumindest noch für ein paar Stunden die Augen zudrücken zu können.
Einer der Wildhunde zeigt sich am nächsten Morgen |
Am nächsten Tag schüttet es wie aus Kübeln. Einen ganzen Tag muss ich paddeln, bis ich am Ufer ein Camp erreiche, wo mich eine Familie zum Essen einlädt und Proviant für die Folgetage mitgibt. Die Gastfreundschaft in Serbien sollte mich auch auf den nächsten Flusskilometern begleiten. Immer wieder werde ich ans Ufer gewunken und zum Essen eingeladen, ohne dabei auf den meist selbstgebrannten Rakija verzichten zu dürfen. Ein Glück, dass ich nur dem Flusslauf folgen muss.
Die spektakuläre Durchfahrt des Eisernen Tores |
Der vielleicht spektakulärste Flussabschnitt wartet beim Durchbruch der Donau durch die Karpaten. Mit Monika habe ich für eine Woche erneut Begleitung. Vom Eisernen Tor bei Golubac bis zur größten Schleuse der Donau bei Turnu Severin ragen links und rechts des teilweise nur 150 Meter breiten Flussbettes hohe Felswände empor.
Der Karpaten-Durchbruch der Donau von oben |
Ich schick dich in die Walachei - Kilometer 943 – 71
Seit nun drei Tagen sitze ich von früh bis spät auf meinem Fahrrad. Das Sitzfleisch schmerzt, der Kopf ist müde. 800 Radkilometer sind es durch teils monotone Landschaft, in der man sich oft in Gedanken verliert. Ich sehe mehr Pferdewägen als Autos, kleine verschlafene Dörfer und unzählige Viehherden. Die Hitze tut ihr übriges. Irgendwann wird es auch meinem Drahtesel zu viel und die Speichen des Hinterrades kapitulieren. Doch gerade im verlassensten Dorf der Walachei findet ich jemanden, der mein Fahrrad wieder fahrtüchtig bekommt.
Mit viel Erfahrung speicht Ivo das kaputte Hinterrad neu ein |
Die letzten Paddelschläge - Kilometer 71 – 0
Von Tulcea bis ans Schwarze Meer geht es nur über den Wasserweg. Das Donaudelta mit dem Packraft zu befahren, sollte man aber ohnehin nicht verpassen. Tausende teils schwimmende Inseln beherbergen neben Sumpfschildkröten und Wildpferden auch die anmutigen Pelikane.
Eine Sumpfschildkröte plantscht im Sulina-Arm |
Die Kilometersteine am Ufer des Sulina-Arms machen mir bewusst, dass meine Reise nun zu Ende geht.
Pelikane sonnen sich im Abendlicht |
Die letzten drei Kilometer geht es in einen kleinen Kanal, der zu einem breiten Strand am Meer führt.
Der Leuchtturm von Sulina kündet das Ende der Reise an |
Als ich spüre wie mein Boot auf sandigem Boden aufsetzt ist das Ziel erreicht: Kilometer 0 – das Schwarze Meer.
Kilometer 0 |
Die Route – von Wien zum Schwarzen Meer
Tourenplanung & Ausrüstung
Die Idee mit dem Kajak die Donau von Wien bis ans Schwarze Meer zu fahren, bekam ich von einem Freund, der einige Jahre zuvor bereits mit seinem Bruder diese Strecke im Kanu gepaddelt war. Viele Jahre behielt ich den Reiseplan im Hinterkopf. Als dann im Sommer 2020 aufgrund des Corona-Virus erschwerte Reisebestimmungen herrschten und ich andere Reisepläne aufgrund von Flugstreichungen über den Haufen werfen musste, entschied ich mich kurzfristig mein Vorhaben in die Tat umzusetzen.
So begann ich im Internet nach billigen Hartschalen-Kajaks zu suchen, doch was mache ich mit dem Kajak, nachdem ich am Schwarzen Meer angekommen bin? Diese in Bus oder Bahn zu transportieren schien unmöglich. Könnte ich es vor Ort verkaufen oder verschenken? Kurzzeitig zog ich sogar in Betracht, eine mehrwöchige Rückreise mit einem Frachtschiff mitzumachen. Doch dann fand ich die perfekte Lösung...
Kleine Sandstrände am Donauufer bieten Erholung für die müden Arme |
…ein Packraft! Innerhalb weniger Wochen und nach einer kurzen Probefahrt mit zwei Anfibio-Leihbooten hatte ich mein ideales Packraft gefunden: das MRS Nomad S1. Bald fiel auch die Entscheidung Kajak und Fahrrad zu kombinieren, um neben dem Donauufer auch die Umgebung erkunden zu können und zudem etwas schneller voranzukommen. Ein altes Mountainbike wurde für die Tour etwas hergerichtet. Neben zwei wasserdichten Fahrradtaschen war auch der Hiko Trek Backpack mit an Bord, der sich zudem als Wanderrucksack oder für größere Einkäufe bezahlt machte.